Der Einsatz von Zieltechnik in der Nacht! Was ist erlaubt, was nicht!
Von Peter Böhmer – ÖJV-RLP
Die Rechtsgrundlage in Rheinland-Pfalz
Das Waffenrecht gibt ab dem 01.09.2020 mit dem 3.WaffRÄndG vom 20.02.2020 bzw. §40 III 4 ff. WaffG die Nutzung von Nachtsichtvorsatz- und –aufsatzgeräten für jagdliche Zwecke frei (waffenrechtliche Freigabe). Die oberste Jagdbehörde des Landes Rheinland-Pfalz erlaubt nun das Hellsehen im Dunklen, die Ausnahmezulassung zu §23 I 8 a LJG RLP ist erfolgt. Mit der Veröffentlichung im Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz Nr. 22, Ausgabe vom 22.06.2020, S.394-395 (jagdrechtliche Freigabe) ist klar: Nachtsichtgeräte dürfen zurErlegung von Schwarzwild eingesetzt werden. Alle folgenden Informationen beziehen sich auf die Nutzung zur Erlegung von Schwarzwild durch Jäger. Andere Nutzungszwecke unterliegen weiterhin dem Verbot. Genau dies sagt die Verfügung der obersten Jagdbehörde, wie auch §19 I 4 BJagdG (Verbot der Jagd auf Schalenwild zur Nachtzeit). So ist und bleibt beispielsweise die Nutzung auf andere Wildarten oder die Nutzung zum sportlichen Schuss weiterhin verboten. Diese Geräte lassen sich noch kombinieren mit künstlichen Lichtquellen. Mit der Verfügung der oberen Jagdbehörde vom 11.08.2017, veröffentlicht im Staatsanzeiger RLP Nr. 32, Se. 856 vom 28.08.2017, wurde die Erlegung von Schwarzwild unter Verwendung künstlicher Lichtquellen gestattet. Folgend wird beleuchtet, welche Geräte zur Verbesserung der Nachtsicht beitragen. Üblicherweise werden verschiedene Geräte mit Hilfsmitteln kombiniert benutzt. Es sind jedoch nicht alle Geräte oder Gerätekombinationen für die Verwendung zugelassen. Hilfreich ist ein kleiner Durchblicker-Lehrgang für Jagende.
Warum überhaupt Nachtsichttechnik?
Schwarzwild zeigt sich bei starker Bejagung nur noch in Zeitfenstern, in denen das Licht für ein sicheres Ansprechen nicht ausreicht. Es ist dringend notwendig, den Schwarzwildbestand durch Bejagung zu verkleinern, sowohl zur Wildschadensverhütung, als auch zur Seuchenvorbeugung. Die Genehmigung der Technik war seit langem überfällig und führt jetzt endlich zu praxisrelevanten Fortschritten:
- Aufspüren des Wildes über große Entfernungen wird möglich (Detektion)
- Ansprechen ist auf kurze Distanz mit Einschränkungen möglich (Identifikation)
- Sichere Auswahl des Zieles wird möglich, Frischlinge bei der führenden Bache werden erkannt (Selektion)
- Sichere Beurteilung des Zielhinterraumes wird möglich, Paketschüsse und Kollateralschäden werden vermieden (Restriktion)
Es ist jetzt in weitaus größerem Maß als vorher möglich, Strecke, Tierschutz und Sicherheit unter einen Hut zu bringen. Der Zugewinn an Sicherheit und jagdlichen Möglichkeiten stellen einen echten Meilenstein dar.
Welche Geräte verschaffen Durchblick?
Optronik ist der Oberbegriff für die Kombination von Optik und Elektronik. Jagdlich hilfreich sind dabei vier Gruppen von Geräten, die auf zwei Arten der Aufbereitung basieren. Grundsätzlich sind alle Geräte darauf angewiesen, eine direkte Blickachse zum Zielobjekt zu haben. Der Durchblick durch Wände, Baumstämme, blickdichte Hecken gehört ins Reich der Fabel.
Aufbereitung: Ein Restlichtverstärker nimmt das vorhandene Licht auf und verstärkt es digital oder analog auf einen wahrnehmbaren Kontrastumfang (ugs. Nachtsichtgeräte). Unterschiede zwischen hellen und dunklen Flächen werden künstlich überhöht und dadurch fürs Auge unterscheidbar gemacht. Bei dieser Technik wird vom Objekt reflektiertes Licht dargestellt. Ein Bildwandler nimmt für das Auge unsichtbares Licht auf und wandelt es digital oder analog in ein sichtbares Licht um (ugs. Wärmebildgeräte). Bei dieser Technik wird vom Objekt abgestrahltes Licht (dazu zählt auch Wärmestrahlung) dargestellt. Wärmeabstrahlung unterschiedlicher Temperatur wird als Hell-Dunkel-Kontrast erkennbar.
Vorsatzgeräte vs. Aufsatzgeräte:
Ein Vorsatzgerät wird mit einem Adapter auf der Objektivseite des Zielfernrohres befestigt, alternativ ist eine Montage auf der Montageschiene der Zielfernrohroptik zusammen mit einer Streulichtblende möglich. Als Absehen wird dabei das Absehen des Zielfernrohres genutzt. Ein Aufsatzgerät (besser: Nachsatz-) wird hinter einer Optik oder getrennt von der Optik montiert. Technisch bedingt ist die Montage von Bildwandlergeräten hinter einer Optik nicht möglich, sondern nur davor.
Künstliche Lichtquellen:
Die künstliche Lichtquelle hebt die vom angestrahlten Objekt reflektierte Lichtmenge an. Nutzt man ein Nachtsichtvor- oder -aufsatzgerät, wird dessen Reichweite damit erhöht. Bei der Verwendung von Bildwandlern hilft der Aufheller nicht weiter. Die Verfügung spricht ausdrücklich von „allgemein gebräuchlichen Taschenlampen“. Nach Rücksprache mit der zuständigen Behörde sind also künstliche Lichtquellen, die ein Licht außerhalb des für den Menschen sichtbaren Spektrums abstrahlen, nicht von der Verfügung gedeckt und damit verboten.
Rechtlich relevant sind dabei die Verwendungskombinationen mit Aufheller, ob die Geräte waffenmontiert sind und ob die Geräte als eigenständige Zieloptik (Zielfernrohrersatz) genutzt werden können:
Übersicht zur gegenwärtigen Lage (Stand: Oktober 2020)

Die angegebenen Entfernungen sind stark geräteabhängig und geben lediglich die Erfahrungen mit der Waffen- und Gerätekombination des Autors wieder.
Hinweise zu Rechten und Pflichten
- Die waffenrechtlichen Rahmenbedingungen sind im Merkblatt des BKA (siehe https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/UnsereAufgaben/Aufgabenbereiche/Waffen/MerkblattNachtsichtvor_aufsatzgeraete.pdf?__blob=publicationFile&v=3) sehr verständlich aufbereitet.
- Jägern ist der Kauf, der Besitz, der Transport und der Umgang mit waffenmontierbarer Optronik jetzt gestattet.
- Beim Verkauf von Geräte mit Montage ist darauf zu achten, dass der Käufer eine entsprechende Berechtigung hat. Oder die Montagemöglichkeit ist vor dem Verkauf zu entfernen.
- Beim Überlassen der Geräte mit Montage ist darauf zu achten, dass derjenige, dem die Geräte überlassen werden, eine entsprechende Berechtigung hat. Oder die Montagemöglichkeit ist vor der Überlassung zu entfernen.
- Beim Kauf ist darauf zu achten, dass die Geräte keine integrierte Beleuchtungseinheit enthalten. Bei vielen Restlichtverstärkern ist diese integriert. Die integrierte Beleuchtung reicht ohnehin nur für wenige Meter Ausleuchtung, die Montage auf der Waffe ist jedoch verboten (= waffenmontierte Zielanleuchtung).
- Fallen die eigenen Voraussetzungen zur Berechtigung weg (kein neuer Jahresjagdschein gelöst, Jagdschein entzogen), müssen die Montagevorrichtungen entfernt werden.
- Eine Jagdwaffe muss mit der entsprechenden Optik eingeschossen werden um eine zweckentsprechende mittlere Treffpunktlage herzustellen. Eine mögliche systematische Verlagerung des Mittleren Treffpunktes wird so erkannt und muss bei der Benutzung der Geräte angewendet werden. Der perfekte Treffersitz im Dunklen setzt voraus, dass Montage, Bedienung und Trefferlage im Hellen trainiert wurden. Das Einschiessen und Übungsschießen fällt unter die berechtigte Nutzung zur Jagd.
- Die waffenmontierbaren Geräte unterliegen unmontiert keinen Aufbewahrungsvorschriften. Sind die Geräte waffenmontiert, wird die Kombination zum (für den Nichtjäger) verbotenen Gegenstand. Die Aufbewahrung des waffenmontierten Gerätes hat in einem Schrank der Stufe 0 nach DIN/EN 1143-1 zu erfolgen. Der Bestandsschutz nach § 36 IV WaffG für A- und B-Schränke gilt für die Kombination nicht, sondern lediglich für die Waffe alleine.
- Jagdliche Grenzgänger müssen die Rechtslage an ihrem Wohnsitz und am jeweiligen Jagdort beachten. Da sich die Verfügung ausschließlich auf Rheinland-Pfalz bezieht, berechtigt sie nur zur Jagd mit montierter Optronik in Rheinland-Pfalz. Die bekannten Vorschriften zum Transport von Waffen gelten auch mit waffenmontierten Optronik. Jäger mit Wohnsitz in Rheinland-Pfalz, die in einem anderen Bundesland jagen, müssen sich an die am Jagdort geltenden jagdlichen Vorschriften orientieren.
Impulse zum Einsatz
Nachtsichtgeräte erlauben ein Sehen ähnlich wie am Tag, jedoch zweifarbig. Ansprechen aus kurzer Distanz ist sehr präzise möglich. Steht Wild an der Waldkante und ist teilweise durch Blätter verdeckt – quasi im „Blätterschatten“ – ist das Entdecken gleich schwierig wie am Tag. Das Anstrahlen des Wildes mit einer Taschenlampe, die sichtbares oder unsichtbares Licht abstrahlt, erleichtert das Ansprechen deutlich. Die Wellenlänge des unsichtbaren Lichtes muss dabei auf die verstärkbaren Wellenlängen des Nachtsichtgerätes abgestimmt sein.
Wärmebildgeräte sind von Licht und Schatten unabhängig, da sie die abgestrahlte Wärme abbilden. Steht Wild an der Waldkante und ist teilweise durch Blätter verdeckt, ist der nicht verdeckte Teil des Wildes klar zu detektieren. Aufgrund der Auflösung der Geräte ist ein Ansprechen nur aus kurzer Distanz möglich. Das Detektieren der Wildart auf weitere Entfernung ist relativ sicher über dessen Bewegungsmuster möglich.
Je nach Gerätetyp und Anwendungsdauer ist die Stromversorgung recht schnell erschöpft. Hat das Gerät einen entsprechenden Anschluss, kann eine Powerbank im Rucksack und ein entsprechendes Verbindungskabel die Einsatzdauer erheblich verlängern.
Bei konkreten Schwarzwildschäden ist es sinnvoll, den Jagddruck von der Schadstelle in die Fläche aufzubauen. So wird die Strecke erhöht und die Vergrämung als Mitnahmeeffekt wirksam.
Bei Revieren mit langen Blickachsen ist es zweckmäßig, das Gelände zunächst mit der Wärmebildoptik abzusuchen, die erkannten Rotten anzugehen um sie dann aus der Nähe sauber anzusprechen und zu erlegen. Bei freier Sicht auf die Fläche ist das Aufspüren der Rotten mit Wärmebildgeräten auch über Entfernungen von einem Kilometer problemlos möglich.
Wie bei jeder Optik bewirkt jedes Medium in der Sichtachse, das zur Lichtstreuung oder -brechung beiträgt, eine schlechtere Sehqualität. Bei Nebel, Regen, Staub, Hitzeflimmern ist die kleinstmögliche Vergrößerung, die zum Ansprechen benötigt wird, die Beste. Während bei Regen, Nebel und Staub die Sicht durch ein Nachtsichtgerät sehr schnell unmöglich wird, wird das Wärmebild verwischt.
Die regelmäßige Reinigung der Optik versteht sich von selbst.
Nicht montierte Wärmebildgeräte haben den netten Nebennutzen, auch bei Tag eine einwandfreie Darstellung abzuliefern. Sie lassen sich ausgezeichnet zur Kitzrettung benutzen. Dafür waren sie bereits vor der Freigabe ein legales und effektives Hilfsmittel. Die Darstellung ist am besten, wenn die Temperaturdifferenz zwischen Wildkörper und Umgebung am höchsten ist, also am frühen Morgen. Den gleichen Effekt kann man zur Unterstützung bei Nachsuchen einsetzen, ersetzen können sie die Nachsuche nicht.
Geräte, bei denen die Montage rückbaubar ist, wären auch bei einem Widerruf der Verfügung genauso legal zur Beobachtung von Wild einzusetzen wie vor der Erlaubnis. Nicht waffenmontierbare Optronik unterliegt weder der waffenrechtlichen, noch der jagdrechtlichen Regelung.
Geräte, die eine Aufzeichnung auf Speicherkarten erlauben, sind eine in Ruhe auswertbare Informationsquelle über Rottenzusammensetzung, Wechsel, Bruchstellen und Nahrungswahl und so fort. Wichtig für die Nachsuche: Anschuss und Treffersitz sind für den Nachsucheführer zweifelsfrei aufgezeichnet.
Schlaf- und Familienentzug sind nur in Grenzen erträglich. Um die erweiterten Nachtsichtfähigkeiten in Strecke umzusetzen, sind mehr Jagende nötig als in den wenigen mondhellen Nächten bisher. Sind diese nicht verfügbar, verraucht die Wirkung der Technik nach der Neugierphase sehr schnell.
Die „getunte Nachtjagd“ wird vom Wild nicht unbemerkt bleiben. Nicht bejagte andere Wildarten werden gleichermaßen unter Jagddruck gesetzt. Es ist zu erwarten, dass die findigen Schwarzkittel neue Ausweichstrategien entwickeln. Die Störung durch Witterung und Geräusch des Jägers wird eine andere Priorität erhalten.
Wo geht’s hin?
Im Hinblick auf die Lernfähigkeit des Schwarzwildes wäre es zielführend, den „Taschenlampenerlass“ auf Geräte außerhalb des sichtbaren Spektrums zu erweitern. Der Zusammenhang zwischen Licht und Schuss wird so gar nicht erst geprägt. Die Pressemitteilung des BMEL zum Entwurf des neuen Bundesjagdgesetzes enthält Überlegungen zur Freigabe von dato verbotenen Nachtzielgeräten und Infrarotaufhellern. Wie die konkrete Umsetzung aussieht, muss abgewartet werden.
Es gibt Geräte, die sowohl restlichtverstärkend als auch bildwandelnd arbeiten (Fusion-Geräte) und diese Bilder überlagern können. Diesen Geräten gehört ohne große Zweifel die Zukunft. Derzeit ist die Jahrespacht eines Jagdrevieres allerdings meist billiger als diese Geräte.
Die Digitalisierung der Optik führt zu immer leistungsfähigeren Systemen. Sie werden trotz hoher Auflösung kompakt bauen und gegenüber kombinierten Einzelgeräten eine besser abgestimmte Gesamtleistung abgeben. Bei entsprechender Tageslichttauglichkeit wird sich der Schwerpunkt von der konventionellen Optik zur Optronik verschieben.
Angekommen auf dem Boden der Tatsachen
Schwarzwild strecken setzt Ansitzen voraus. Sauberes Ansprechen vorausgesetzt, ersetzt aber auch diese Technik nicht den sauberen Treffersitz der Kugel. Das Training der Schießfertigkeiten und das Bewusstsein der eigenen Fähigkeiten und Grenzen sind und bleiben unabdingbare Voraussetzung zur Jagd.