Strategiepapier „Waldumbau, Wild und Jagd im Zeichen des Klimawandels“ – Ein Kommentar von Thomas Boschen

In einem von der Obersten Jagdbehörde in Rheinland-Pfalz initiierten umfangreichen Dialog- und Arbeitsprozess aller im Bereich Forst und Jagd zuständigen Institutionen und Interessensverbände zu der Frage eines zeitgemäßen Wildmanagements im Kontext der Klimawandelfolgen wurde ein  Strategiepapier „Waldumbau, Wild und Jagd im Zeichen des Klimawandels“ formuliert. Beteiligt an dem Papier waren:  Interessengemeinschaft der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer im Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau e. V., Fachgruppe Jagdgenossenschaft im Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd e. V., BUND Landesverband Rheinland-Pfalz e.V., Bund Deutscher Forstleute e. V. Landesverband Rheinland-Pfalz, Gemeinde und Städtebund Rheinland-Pfalz e. V., Landesforsten Rheinland-Pfalz, Landesjagdverband Rheinland-Pfalz e. V., NABU Rheinland-Pfalz e. V., Oberste und Obere Jagdbehörde, Ökologischer Jagdverband Rheinland-Pfalz e. V., Städtetag Rheinland-Pfalz e. V., Verband der Berufsjäger Rheinland-Pfalz e. V. und der Waldbesitzerverband Rheinland-Pfalz e. V.

Grundlage ist die gemeinsame Walderklärung „Klimaschutz für den Wald – unser Wald für den Klimaschutz“ von Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Umweltministerin Ulrike Höfken sowie den Interessensvertretungen der Waldbesitzenden in Rheinland-Pfalz vom 11. Juni 2019.

In der Walderklärung wird festgehalten: „Grundvoraussetzung für den Aufbau klimaangepasster Wälder ist die Regulierung der Schalenwildbestände auf ein Niveau, das die natürliche Verjüngung der Hauptbaumarten ohne Schutzmaßnahmen ermöglicht. Die vorhandenen jagdrechtlichen Instrumentarien sind von Jagdrechtsinhabern, Jagdausübungsberechtigten und Jagdbehörden im Sinne dieser Zielsetzung konsequent anzuwenden.“

Dr. Jens Jacob, Chef der Forstabteilung im Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten Rheinland-Pfalz und Leiter der Landesforsten Rheinland-Pfalz formuliert in seinem Anschreiben zur Versendung des Strategiepapiers eindringlich: „ Die globale Klimakrise hat sich zu einer dramatischen Waldkrise entwickelt, die auch in den Wäldern von Rheinland-Pfalz mit voller Wucht angekommen ist. Perspektivisch stellt sich bei dieser Aufgabe überdies vielerorts die Frage nach dem Erhalt der Vegetationsform „Wald“ und damit die nach der Aufrechterhaltung der mit intakten Wäldern verbundenen vielfachen Ökosystemleistungen zum Nutzen für die heutige und für zukünftige Generationen. Ein Gebot der Erfordernisse ist zudem die proaktive Anpassung der Wälder an den Klimawandel. Dabei steht die Einbringung von Baumarten im Vordergrund, die eine angemessene Resilienz gegenüber Dürren, Stürmen und hohen Temperaturen erwarten lassen.“

Die letzten Dürrejahre haben uns mit einer erschreckenden Rasanz verdeutlicht, wie labil unsere Ökosysteme auf den Klimawandel reagieren. In vielen Landesteilen von Deutschland sterben die Wälder flächig, Quellen und Flüsse versiegen. Für 2020 ist wieder ein heißer Sommer vorhergesagt, die Wälder werden also weiter sterben und die Wasservorräte werden weiter sinken. Dem letzten Zweifler muss jetzt klar sein, dass die Menschheit an einem Scheideweg steht und nur noch Taten zählen! Lippenbekenntnisse und Willensbekundungen reichen nicht mehr aus, um das Steuerrad herumzureißen. In vielen Bereichen können wir uns daher Kompromisse nicht mehr leisten – uns fehlt die Zeit!

Flächiges Absterben von Fichtenwäldern!
Flächiges Absterben von Fichtenwäldern!

Der ÖJV kämpft seit seiner Gründung in Bayern (1988) für angepasste Wildbestände. Schon vor über 30 Jahren hat er gemahnt, dass angesichts der dramatischen Entmischung durch überhöhte Wildbestände, die Wälder nicht mehr in der Lage sind, ihre wichtigen Schutzfunktionen dauerhaft zu übernehmen.  Nur wenn sich der Wald natürlich verjüngen und seine genetische Vielfalt nutzen kann, ist davon auszugehen, dass Wälder entstehen, die ihre wichtigen Schutzfunktionen weiter für den Menschen erfüllen. In vielen Wäldern müssen die Schalenwildbestände daher deutlich reduziert werden. Der Waldumbau ist ohne konsequente Jagd nicht möglich.

Wälder können Wasser nicht mehr halten. Flüsse und Bäche zeigen die Auswirkungen der Klimaerwärmung!
Wälder können Wasser nicht mehr halten. Flüsse und Bäche zeigen die Auswirkungen der Klimaerwärmung!

Der ÖJV hat in der Diskussion zum Strategiepapier auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass jagdliche Hemmnisse weiter abgebaut werden müssen. So halten wir es für erforderlich, dass das Überjagen von Hunden, der Abschuss von Hirschen in Freigebieten und die Jagdzeitenverordnung gesetzlich neu geregelt werden müssen. Jagdgesetzliche Änderungen wurden aber im Vornherein in der Diskussion ausgenommen, da der Koalitionsvertrag dies in der aktuellen Legislaturperiode  nicht vorsieht. Aufgrund der dramatischen Waldentwicklung halten wir diese Position für nicht haltbar und werden uns weiter für die angesprochenen Änderungen einsetzen. Ein großes Thema ist immer wieder die Verbesserung der Wildlebensräume, durch Anlage von Wildäsungsflächen etc.. Anhand dieser Diskussion wurde deutlich, dass immer noch der Glaube vorherrscht, dass man durch gezielte Hegemaßnahmen erreichen kann, dass Waldschäden verhindert werden. Wenn z.B. Streuostwiesen, extensive Mähwiesen oder Blühstreifen angelegt werden, ist diese Aufwertung aus Naturschutz-gründen sicherlich zu begrüßen. Gleichzeitig muss aber jede Erhöhung der Biotopkapazität einen angepassten Abschuss nach sich ziehen. Ansonsten können sich Lebensraumverbesserungen für den Wald nicht positiv auswirken. Als Beispiel sei hier das Lebensraumprojekt Osburg Saar angeführt, das trotz aller Maßnahmen zu keiner befriedigenden Lösung des Wald-/Wildproblems geführt hat.

Naturpark Bayerischer Wald nach Borkenkäferkalamität
Naturpark Bayerischer Wald nach Borkenkäferkalamität

Deutlich wird, dass viele noch nicht erkannt haben, dass es in vielen Bereichen zu einem flächigen Zusammenbruch von Wäldern kommen wird. Damit erhöhen sich zukünftig  Äsungsangebot und Deckung. Teilweise wird Holz nicht mehr aufgearbeitet, sodass sich Waldstrukturen bilden, die dem Wild entgegen kommen und eine Bejagung äußerst schwierig machen. Um den Fortbestand des Wildes braucht man sich daher unter diesen Gegebenheiten keine Sorgen machen, sondern eher wie man es erreichen kann, soviel Wild zu erlegen, um dem Wald von Morgen eine Chance zu geben.

Wir erhoffen uns daher auch von der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft im Fachbereich Wildökologie jagdpraktische Tipps wie es gelingen kann, angepasste Wildbestände zu erreichen. Dabei halten wir den Ansatz den Jagddruck durch Nutzung der Aktivitätszeiten des Wildes und Abbau von Jagdhemmnissen deutlich zu verringern für zielführend. Naturnahe Wälder werden aufgrund des hohen Laubholzanteils mit Laubaustrieb kaum noch bejagbar sein. Die Vegetationszeiten haben sich durch den Klimawandel deutlich nach vorne verschoben.  Die Wälder werden früher undurchsichtig und geben dem Wild Schutz. Nur in den Aktivitätsphasen des Wildes können die Wildbestände effektiv reduziert werden. In dieser Zeit muss es möglich sein, alles Schalenwild mit Ausnahme von Alttieren und Ricken zu erlegen! Nach dem ersten Abschussintervall muss Jagdruhe im Wald herrschen! Der selbsterzeugte Jagddruck von Jägern durch permanente Jagd, macht Wild unsichtbar und erhöht den Aufwand Wild zu erlegen.

Ein landesweites Vegetationsgutachten ist notwendig, das sich nicht mehr alleine am Betriebsziel des Waldbesitzers ausrichtet. Es muss Aufschluss darüber geben, wie sich die natürliche Waldverjüngung entwickelt. Nur durch ein flächendeckendes und auf die Jagdbezirke abgestelltes Gutachten, können Aussagen gemacht werden, ob sich die Waldentwicklung positiv darstellt! Nur so lässt sich überprüfen, ob Maßnahmen gegriffen haben. Der Wald von Morgen entsteht jetzt und es wäre gegenüber nachfolgenden Generationen unverantwortlich, dass Schiff einfach treiben zu lassen ohne den eingeschlagenen Kurs periodisch zu überprüfen. Ein Vegetationsgutachten muss im Interesse aller Jäger liegen, da es letztendlich die Akzeptanz der Jagd in der Gesellschaft sicherstellt.

Der ÖJV hofft, dass es gelingt viele Jäger mitzunehmen und für die anstehenden Herausforderungen zu gewinnen. Im Strategiepapier werden viele Punkte angesprochen, die insgesamt ein jagdliches Umdenken erfordern. Revieregoismen müssen überwunden werden und Hegephilosophien in den Hintergrund treten. Der Vorstoß von Landesforsten innerhalb des Betriebes die Jagdzeit für das Schalenwild auf den 15. April vor-zuverlegen, hat leider zu Widerstand des Landesjagdverbandes geführt. Viele Forstamtsleiter haben auf Druck von Jagdpächtern, der Hegege-meinschaften und des Landesjagdverbandes von der  Schonzeitaufhebung keinen Gebrauch gemacht. Das zeigt Abhängigkeiten, die der dringend notwendigen Schalenwildreduktion konträr gegenüberstehen. Andererseits wurden über 170 Einzelanträge zur Schonzeitaufhebung bei der Oberen Jagdbehörde gestellt. Dies zeigt auch, dass der Landesjagdverband längst nicht die Meinung aller Jagdpraktiker vertritt. Positiv stimmen Beispiele, wo Jagdrechtsinhaber mit den Jägern zusammen Lösungen gefunden haben, um die jagdlichen Herausforderungen im Hinblick auf die Reduzierung der Schalenwildbestände zu meistern. Überall dort, wo sich die Jagdrechtsinhaber kümmern und ihre Verantwortung übernehmen, Waldbauziele mit der nötigen Konsequenz verfolgen und sich nicht von außen bevormunden lassen, wächst der Wald ohne Schutzmaßnahmen.

Die Eiche wird im zukünftigen Wald eine wichtige Rolle spielen. Die natürliche Verjüngung gelingt nur bei angepassten Wildbeständen.
Die Eiche wird im zukünftigen Wald eine wichtige Rolle spielen. Die natürliche Verjüngung gelingt nur bei angepassten Wildbeständen.

Es braucht zukünftig Jäger, die motiviert, jagd-handwerklich geschickt und professionell auf die Jagd gehen, um die notwendigen Abschüsse zu realisieren. Landesforsten wird mit gutem Beispiel voran gehen müssen! Das Forstpersonal ist gefordert die jagdlichen Aufgaben umzusetzen, um den Waldumbau zu gewährleisten.

Weißtannenverjüngung außer Zaun! Der Wald zeigt, ob die Jagd stimmt!
Weißtannenverjüngung außer Zaun! Der Wald zeigt, ob die Jagd stimmt!

Die Evaluierung des Strategiepapiers wird zeigen, ob die Maßnahmen gegriffen haben. Es wäre zu wünschen, dass sich jetzt alle Beteiligten in ihrem Bereich  dafür einsetzen, dass der zukünftige Wald wachsen kann und die vielen Gesprächskreise Erfolg zeigen. Der ÖJV wird unter anderem durch Fortbildungen der Jäger, Schießkurse, Drückjagdseminare und der Hundeausbildung versuchen dazu beizutragen.

Der Originaltext, auf den sich der oben stehende Kommentar bezieht, nachfolgend zum herunterladen:

Passend zum Artikel ein Video des ÖJV Bayern!